Wir beginnen unsere philosophische Reihe mit einer Betrachtung des Anfangs. Dabei erscheint er uns sehr subjektiv und ist mit den verschiedensten Gefühlen verbunden.
Heute geht es los mit unserer neuen Reihe der philosophischen Abende in der Volkshochschule. Ein wenig Aufregung ist auch dabei. Zu zwölft wollen wir heute philosophieren. Dabei möchten wir Philosophie als Lebenskunst im Sinne der Philosophischen Praxis betreiben. Es geht uns um lebensnahe Fragen, die jeden im Leben umtreiben. Die großen geistigen Abenteuer lassen sich meist erst auf persönlicher Ebene beantworten. Und das Fragezeichen ❓ ist unser steter Begleiter.
Philosophie als Lebenskunst beschäftigt sich mit den Fragen "Wer bin ich?", "Was will ich?", "Was macht mich glücklich?" und will Wissen nicht nur sammeln sondern ins Leben integrieren um Entscheidungen treffen zu können, die langfristig das Leben verbessern. Wir nehmen dabei viele große Denker von damals und heute dazu aber beziehen auch jeden mit ein, der oder die Fragen stellt.
Das Leben ist lang, das Universum groß und mit den richtigen Fragen geht es tief ans Eingemachte. Daher die erste Frage: "Womit fangen wir das Semester an?" In der Vorbereitung haben wir bemerkt, dass das Thema "Anfänge" ein guter Start sein kann. Die Kunst ist nun, schon am Anfang das Ende im Sinn zu haben und nicht zu weit abzuschweifen. Aber wagen wir das Experiment und schauen, was passiert, um daraus zu lernen:
Anfänge erleben wir im Alltag immer wieder neu. Es gibt im Grunde jeden Moment Anfänge und damit die Möglichkeit, neu zu beginnen. Doch wer bestimmt den Anfang und was macht einen Anfang aus? Es scheint immer eine Entscheidung damit verbunden zu sein, dass etwas neu anfängt. Entscheidungen sind ein eigenes spannendes Thema, und auch hier stellten wir uns kurz Fragen wie "Wer entscheidet überhaupt? Bin ich frei in meiner Entscheidung? Bin ich im Grunde immer beeinflusst und hat jeder Anfang nicht gewisse Ursachen von einer Zeit davor?". Jeder Anfang ist ein zeitlicher Punkt, der durch eine Entscheidung ausgelöst wurde, ob sie nun von außen kam (man wurde gekündigt) oder selbstbestimmt.
Doch natürlich gibt es kaum wirkliche Anfänge, ohne einen Betrachter, der diese Entscheidung oder Veränderung bemerkt. Die Zeit ist im Fluss, alles fließt (sagte der Grieche Heraklit). Es ist alles viel mehr ein fortwährender Prozess. Wir sind im ständigen Wandel der Natur. Dabei geht es bei Anfängen also stark um die menschliche Perspektive. In der Gesellschaft mag es sein, dass Anfänge öfters als negativ gesehen werden, weil die berühmte Komfortzone ungern verlassen wird und wir Gewohnheitswesen sind. Dabei können auf uns viele Überraschungen warten, wenn wir einmal eine neue Stadt mit neuen Augen sehen (oder dies auch in alter Umgebung neu tun, z.B. mit Hilfe der Fotografie).
So sind Anfänge sehr subjektiv und auch gefühlsbetont. Es kann Angst machen, man kämpft vielleicht damit, anzufangen (Stichwort: Prokrastination). Einer glaubt vielleicht, er müsse sich endlich mal ander verhalten, mehr Sport machen, abnehmen. So gibt es Hoffnungen und Erwartungen auf etwas besseres und das subjektive Gefühl am Anfang (auch bei uns im Kurs) spielt eine große Rolle. Dabei halten wir fest: Der Alltagsbezug ist uns sehr wichtig und die Frage nach dem, was uns Fragen für ein Gefühl vermitteln, finden wir spannend. Wir sind tief im Gespräch und erfreuen uns am Austausch.
Wir schweifen auch aus, besprechen den Anfang von allem, die Schöpfungsgeschichte und mögliche Ursachen für den Urknall. Mag es unendliche viele Paralleluniversen geben, von denen wir ein Sonderfall sind, da es doch so unwahrscheinlich erscheint, dass die Naturkonstanten genau für uns ein Habitat, also einen Lebensraum eingerichtet haben und es uns gibt. Oder mögen wir dankbar dafür sein, dass es so gekommen ist. Im Grunde decken uns diese gedanklichen Experimente zahlreiche interessante sonderbare Tatsachen oder Möglichkeiten auf, die unser Dasein bereichern. Wer wüsste nicht gern, ob es einen Schöpfer gibt und was der Plan des Ganzen ist? Wir sind Philosophen und wir können schauen, wie weit uns die Gedanken tragen, sie sind schließlich frei.
Über Anfänge so im Allgemeinen zu sprechen scheint ein wenig abstrakt, doch es gibt so viele Anfänge, dass man diese abstrakten Weisheiten einfach auf jeden Anfang übertragen kann. So gilt, dass man in jedem Moment die Entscheidung hat, zu neu anzufangen und zu sehen: Entweder "Was fehlt mir?" oder "Was habe ich?". Das gilt also für den Beginn im neuen Job, in der neuen Lebensphase oder schon am Anfang des Tages beim Aufstehen. Es macht also schon manchmal Sinn, abstrakt zu werden, um Prinzipien aufzudecken, die man dann als Weisheiten auf einzelne Situationen übertragen kann.
Wir geben jedem interessierten Leser eine Aufgabe mit, wobei alles, was wir machen, eine Art Supermarkt ist, aus dem man sich frei bedienen kann. Und zwar kann jede und jeder einfach einmal die kommende Woche schauen, wo es Anfänge im Alltag zu finden gibt? Das kann der Fernsehfilm sein, der anfängt, oder die Nacht, die einkehrt. Jedem Anfang wohnt sein Zauber inne, sagte schon Hermann Hesse. Das Interessante ist, dass dieser Zauber uns die Möglichkeit schenkt, aufmerksam für den Moment zu werden und neues zu entdecken, vielleicht sogar überrascht zu werden.
Beim nächsten Mal geht es um das Thema "Narrative". Wir sind darauf gekommen, weil wir über Ursprünge sprachen. Ein Auslöser bestimmt einen Anfang, doch wer ist der erste Anfang? Da suchen viele nach den Ursprüngen, ob nach Ürsprüngen der Sprache oder der Menschheit oder politischer Probleme. Dabei wird uns klar, dass Menschen gern Ursprünge zuschreiben und darauf Geschichten aufbauen. Diese Narrative betreffen uns in unserem Leben. Wie weit das geht, wollen wir am 6. März in zwei Wochen besprechen. (Am 27. Februar ist Karneval.) Eine gute Woche.